Gestern war das zweite Mal, dass ich dabei war, als ein mir nahestehender Mensch starb.
Der Stiefvater ist dem Tod doch nicht von der Schippe gesprungen, die Magenblutung hat nicht aufgehört, es gab zusätzlich noch eine Perforation im Verdauungstrakt, durch die freie Luft und Wasser in den Bauchraum gedrungen ist.
Er hätte noch eine grosse Operation benötigt, die die komplette Entfernung des Magens bedeutet hätte, was er mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit nicht überlebt, und auch nicht gewollt hätte.
Die künstliche Ernährung und Beatmung haben beide, meine Mutter und mein Stiefvater, schon in ihrer Patientenverfügung abgelehnt. An eine Maschine angeschlossen am Leben erhalten zu werden, wollten sie beide nicht.
Meine Mutter hat das vor drei Jahren selbst entscheiden können, für meinen Stiefvater habe ich das gestern entscheiden müssen. Ich bin mir aber sicher, in ihrem Sinne gehandelt zu haben.
Gestern nachmittag wurden alle künstlich lebensverlängernden Massnahmen eingestellt.
Mein Stiefvater wurde nur noch beatmet und mit Schmerzmittel versorgt. Aufgewacht ist er nicht mehr.
Ich habe seine Hand gehalten und zugesehen, wie der Herzschlag immer weniger und unregelmässiger wurde, Blutdruck und Puls runtergingen, der Sauerstoffgehalt im Blut recht schnell gegen 0 runterging.
Irgendwann hat der Pfleger, der immer mal wieder vorbeigesehen hat, gemeint „So.“ Dann schickte er mich raus, damit die Intubation entfernt, mein Stiefvater auf den Rücken gedreht und ein Handtuch ums Gesicht gewickelt werden konnte, damit der Mund nicht offen steht.
Nun ist die ältere Generation aus meiner Familie komplett verstorben.
Ich bin nicht gut im Nachruf schreiben, deshalb nur:
Vielleicht triffst du deine Frau, meine Mutter, dort, wo ihr jetzt seid, wieder. Vielleicht hast du dort ein Keyboard und kannst weiter Musik machen. Und gärtnern in einem Garten voller Blumen und Obstbäumen, von denen du direkt ernten und deine geliebten Elstar-Äpfel essen kannst, soviel du willst. Und Vögel beobachten. Und irgendwas basteln, am Haus oder im Garten, oder an einem Auto.
Und vielleicht könnt ihr dort wieder gemeinsam irgendwohin fahren, und frühstücken gehen.
Einfach nach Lust und Laune losfahren und sich in einem Café oder Restaurant ein schönes Frühstück schmecken lassen.
Mach’s gut, Paul.